Persönliche und berufliche Weiterentwicklung für Juristen
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Von Löwen und Lösungen

Gleich in meiner ersten Mediation habe ich einen Beweis dafür erhalten, dass eben wirklich nicht alles immer gleich sichtbar ist und dass es so viel Sinn macht, unter die Oberfläche zu schauen. Konnte ich direkt zur Veranschaulichung für alle weiteren Mediationen nutzen. Und nicht nur dort – es ist ja immer wieder faszinierend, wie wir die größten Learnings einfach echt überall gebrauchen können. In der Rechtsberatung, im eigenen Umgang mit unseren Mitmenschen und immer auch mit uns selbst.

Die Themen in der Mediation

Die Mediation wurde von einem Ehepaar als das Verfahren gewählt, mit dem sie sich über eine Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung einigen wollten. Insbesondere im Vermögensausgleich war einiges zu verteilen, es ging um die Werte mehrerer Unternehmen, es gab verschiedene Immobilien und na klar einige Fahrzeuge. Lief auch alles. Bis die beiden begannen, sich über einen steinernen Löwen zu streiten. Über mehrere Sitzungen. Das kann man natürlich so machen, für mich stellte sich zunächst aber schon die Frage nach der Sinnhaftigkeit, nachdem ja augenscheinlich größere Dinge bereits abgehakt waren.

Aber, die Chinesen haben natürlich Recht, wenn sie sagen:

Jedes Ding hat drei Seiten. Eine die du siehst, eine die ich sehe, und eine die wir beide nicht sehen.
— Chinesisches Sprichwort

Der steinerne Löwe selbst konnte ja das Problem nicht sein. Was direkt zum Herzstück der Mediation führt, nämlich zum Blick unter die Oberfläche. Bei der sich die Beteiligten selbst und gegenseitig die Frage stellen, was eigentlich das Bedürfnis ist, das hinter der jeweiligen Position steckt. Die Position ist hier der Löwe. Beide wollten einfach diesen steinernen Löwen haben. Gefunden werden musste das Thema hinter dem Thema. Was steckte also dahinter?

Das Thema hinter dem Thema

Was damit gemeint ist, lässt sich immer sehr gut mit dem Eisbergmodell erklären, das viel genutzt wird, wenn es um Kommunikation geht, sei es in der Psychologie, in der Pädagogik oder auch in den Wirtschaftswissenschaften. Es soll auf Freud zurückgehen, der allerdings den Begriff selbst nicht geprägt hat. Wie auch immer also, so sieht es aus.

Eisbergmodell.jpg

Der Löwe:

Nur die Spitze des Eisbergs…..

Der Eisberg zeichnet sich ja gern mal dadurch aus, dass nur seine Spitze zu sehen ist. Und dass der größere Teil unter der Wasseroberfläche liegt und sich eben gerade nicht auf den ersten Blick offenbart. Oben schaut also der Konflikt heraus, zum Beispiel der Streit um einen steinernen Löwen. Unter der Wasseroberfläche aber ist bei allen Beteiligten so viel mehr vorhanden, was sich auf diese Spitze des Eisberges auswirkt. Die Erfahrungen, die jeder im Leben schon gemacht hat. Seine Werte, seine Ängste, seine Gefühle. Die ganz individuellen Bedürfnisse, die so verschieden sind wie die Menschen selbst und gleichzeitig doch bei uns allen so ähnlich. Der Wunsch, gesehen zu werden, dazu zu gehören, sicher und selbstwirksam leben zu können.

Und wie kommen diese Dinge an die Oberfläche?

Um diese Dinge ans Licht holen zu können, braucht es Zeit und Raum genau dafür. Um zu fragen: Was ist das Thema hinter dem Thema? Was willst du wirklich? Wenn du diesen Löwen bekommst, was bedeutet das für dich? Was ist dann noch gegeben? Mit jedem einfachen „Warum?“ kommen wir dem Kern der Sache näher.

In die Tiefe gehen, um andere Lösungen möglich zu machen

Und so war es auch bei diesen beiden. Der Ehemann wollte den Löwen, weil er die Immobilie behalten sollte, vor der er stand. Für ihn sollte zusammenbleiben, was zusammengehörte. Ein wenig Sicherheit im Umbruch. Für die Ehefrau ging es darum, dass sie die Einrichtung der Immobilien mit ganz viel Herzblut und Zeitaufwand betrieben hatte. Ihr ging es um Wertschätzung für diesen Aufwand, um das gesehen werden. Ehrlich gesagt habe ich völlig vergessen, was mit dem Löwen am Ende geschehen ist. Aber der Weg dahin hat sich mir eingebrannt. Es geht nie nur um das, was oben herausschaut. Und wenn das Thema hinter dem Thema gefunden ist, können auch andere Wege gefunden werden, um das Bedürfnis zu erfüllen. Hier in die Tiefe zu gehen lohnt sich, um den Raum für Lösungen zu erweitern. So dass es im Idealfall auf den Löwen dann auch gar nicht mehr ankommt.

Auch hierzu freue ich mich wieder über Austausch - vielleicht ist dir so ein steinerner Löwe in anderer Form auch schon begegnet? Melde dich gern bei mir per Mail über hallo@inspiredlaw.de - oder wir verbinden uns bei Instagram. Dort findest du mich unter @christianeeymers.

 

Christiane Eymers