Persönliche und berufliche Weiterentwicklung für Juristen
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Weitermachen. Resilienz in der Juristerei.

Resilienz ist etwas, das wir ganz unbedingt brauchen, gerade wir, denn unsere Arbeit ist geprägt von Herausforderungen und auch von Rückschlägen, natürlich. Nicht immer gelingt ein win-win und manchmal gibt es sogar mehr als einen Verlierer. Und immer geht es darum, weiterzumachen. Wir behaupten uns je nach Arbeitsgebiet gegen den Gegner, manchmal gegenüber den eigenen Mandant*innen oder gegenüber Widerspruchsführer*innen und Einspruchsschreiber*innen, gegenüber den Kolleg*innen, gegenüber Behörden und Ämtern. Wir überzeugen das Gericht, machen weiter nach verlorener erster Instanz oder wenn die anderen Beteiligten noch nicht verstanden haben, dass unsere Lösungsidee genial ist.

Kämpfen

Und währenddessen kämpfen wir so oft. Kampf hat immer damit zu tun wieder aufzustehen, nochmal einen Versuch zu unternehmen. Weiterzumachen. Das Wunderbare ist: wir können das schon längst! Vielleicht konnten wir es immer schon, jedenfalls aber haben wir es gelernt während des Studiums und im Referendariat, ganz besonders in den Staatsexamen. Wir haben es uns und anderen dort und danach schon ganz oft bewiesen. Aber: Wir müssen all das nicht im ständigen Kampfmodus absolvieren. Denn Kampf ist auf Dauer etwas anstrengendes und auch das Leben als Juristin und Jurist wird von vielen von uns als anstrengend empfunden und es ist manchmal ein positives Anstrengend und manchmal einfach ermüdend.

Weshalb ich mich gefragt habe, welche Eigenschaften, Haltungen oder Tricks es sind, die uns stark bleiben lassen. Die uns im Idealfall so stark machen, dass wir all diesen Herausforderungen mit Leichtigkeit begegnen können, allermeistens zumindest. Und da gibt es ein paar und sie wurden auch schon zusammengetragen in vielen Büchern und Texten. Nicht immer heißen sie ganz gleich, aber im Grunde sind es überall ähnliche Punkte, von denen gesprochen wird, wenn es um Resilienz geht. Wenn wir uns die bewusst machen, können wir sie noch besser nutzen und einsetzen und immer mehr dahin kommen, uns nicht immer wieder von ganz unten aufrappeln zu müssen.

1. Dinge, die sind, akzeptieren

Unser „Das darf doch nicht wahr sein!“ ist eine häufige und ganz normale Reaktion, wenn etwas nicht so läuft wie wir dachten. Nicht so, wie es in unseren Plan gepasst hätte und wie es für uns manchmal auch die einzig vernünftige oder sogar denkbare Variante der Dinge gewesen wäre. Diese Reaktion ist häufig ein Reflex. Weitergehen können wir allerdings erst, wenn wir die Situation akzeptiert haben. Denn dann können wir von dort aus auch prüfen, welche Optionen wir haben, um sie zu verändern oder ganz anders weiterzugehen.

Es ist ein bisschen wie das „Erhalten“ auf einem Kündigungsschreiben, das unterzeichnet werden soll. In der arbeitsrechtlichen Beratung führt das häufig zu Verunsicherung und Ablehnung, niemand möchte seine eigene Kündigung unterschreiben und das Gefühl dabei ist einfach, dass so eine Frechheit nicht auch noch quittiert werden kann. Aber ihr wisst: Mit dem Zugang laufen die Fristen und die Unterschrift sagt nichts darüber aus, ob jemand die Kündigung so akzeptiert, ob er selbst gehen wollte oder ob er klagen und die Wirksamkeit überprüfen lassen wird. Das „Erhalten“ sorgt einfach für Klarheit darüber, welche Situation nun vorliegt, häufig ja auch nach längerer konfliktgeprägter und unsicherer Zeit. Wenn das Kündigungsschreiben da ist, macht es nicht so viel Sinn, die 3 Wochen Klagefrist damit zu verbringen, das Schreiben zu verleugnen. Es wird dadurch nicht verschwinden. Die Zeit kann aber genutzt werden, um Optionen zu prüfen, sich beraten zu lassen, Gespräche zu führen.

Je nach Größe der Sache ist es unterschiedlich schwierig, diese Akzeptanz zu finden. Manchmal kann es hilfreich sein, gedanklich einen Zwischenschritt ein zubauen, erstmal nur ein „jetzt noch nicht“. Ich kann etwas noch nicht ändern, aber mir wird dazu etwas einfallen. Später. Für den Moment akzeptiere ich, was ist. Das ist besonders herausfordernd, wenn es sich um Dinge handelt, die wir vermeintlich in der Hand hatten. Die in den Sand gesetzte Klausur, das verlorene Verfahren, ein misslungener Vortrag. An dieser Stelle gilt es, dass wir uns selbst akzeptieren und das eben auch dann, wenn es gerade nicht hervorragend läuft. Das braucht eine Akzeptanz von Kopf und Herz. Auf Verstandesebene müssen wir in Betracht ziehen, dass wir nicht perfekt sind. Und dass trotz aller Vorbereitung, Erfahrung, Stärke manchmal Dinge nicht so laufen wie von uns geplant. Um uns dann vom Herzen her zu sagen, dass wir bei all dieser Unperfektheit eben doch perfekt genug sind, liebenswert und wertvoll.

Etwas anders liegt der Schwerpunkt der Akzeptanz, wenn etwas von außen in unser Leben geworfen wird. Etwas, an dem wir nichts hätten besser machen können. Der Tod eines lieben Menschen, das Wetter, eine Pandemie. Es mag leichter sein, dass wir zumindest uns selbst für derartige Dinge nicht verantwortlich zu machen brauchen. Es ist gleichzeitig manchmal auch schwerer, weil wir gern alles unter Kontrolle haben und uns vielleicht auch manchmal ungerecht behandelt fühlen. Von anderen Menschen, von Umständen, vom Leben.

Akzeptieren also. Annehmen, was gerade ist. Es ist der erste Schritt, um Druck und Stress aus der Situation zu nehmen. Es öffnet den Raum für zweitbeste Lösungen, für neue Ideen, für den Weg zurück in unsere Stärke.

2. Bindungen und Beziehungen

In diesem verrückten Corona-Jahr hat sich bei vielen von uns auch der Blick auf unsere Beziehungen noch einmal verändert, zurechtgerückt vielleicht und an der einen oder anderen Stelle hat dieser Blick auch für Überraschungen gesorgt. Denn unsere gewohnten Systeme waren und sind vielfach durchgerüttelt, fanden gar nicht mehr statt oder anders und das in allen Lebensbereichen. Vielleicht hat sich nicht nur dein Privatleben verändert, sondern auch die Situation im Büro, die Art der Termine.

Wer wurde wichtig, als unsere normalen Alltagskontakte nicht mehr so vorhanden sein konnten, wie wir sie kannten? Wer hat sich bei uns gemeldet, mit wem haben wir uns getroffen, als wir wenige treffen konnten? Viel allein zu sein heißt nicht automatisch, einsam zu sein. Mit welchen Menschen brauchen wir vielleicht auch gar keinen permanenten Kontakt und können dennoch sicher sein, dass die gemeinsame Basis bleibt? Wenn hatten wir Lust anzurufen, wenn anrufen nach einem Tag voller Videokonferenzen keine Lieblingsbeschäftigung mehr war? Und was wurde uns auch in dem viel mehr in den eigenen Wänden zusammen sein zu viel, was haben wir aber auch nochmal anders schätzen gelernt?

Bindungen zu anderen Menschen zu haben ist eines unserer Grundbedürfnisse und diese Bindungen bilden ein Netz, das uns trägt und stärkt. Sehr unterschiedlich sind wir allerdings darin, wie unsere Bindungen ausgestaltet sein müssen, damit wir uns mit ihnen wohlfühlen. Wieviel tatsächliche physische Nähe es braucht, wie viele Worte, wie viele Zeichen, was für welche. Wie immer nützlich: Auch da genau hinzuschauen, was für uns selbst wichtig ist. Und von dem Ergebnis nicht darauf zu schließen, dass es für unsere Mitmenschen genauso sein müsste.

3. Lösungen finden

Der Lösungsfokus lässt uns in die Zukunft schauen, macht die Möglichkeiten weiter und Wege sichtbar. Es ist bestimmt an der einen oder anderen Stelle sinnvoll, auch hinsichtlich der Vergangenheit in die Tiefe zu gehen. Besonders, wenn sie uns Erlebnisse und Erfahrungen gebracht hat, die traumatisieren und die etwas mehr brauchen als eine gesunde Alltags-Resilienz als Antwort. Ereignisse, die wir vielleicht nur mit einer Therapie heilen können. Meine Arbeit als Mediatorin und Coach aber, die ja mit gesunden, wenn auch häufig verletzten Menschen stattfindet, hat mir dennoch ganz häufig gezeigt, wie weit uns eine lösungsfokussierte Herangehensweise bringt. Und sie hat sich ausgebreitet in meinem Leben und auch in der Arbeit als Rechtsanwältin. Wir bekommen häufig ja gar nicht heraus, wo das Problem begann und wer nun ganz ursprünglich mal die Misere ausgelöst hat. Aber wir können schauen, was jetzt da ist und womit wir arbeiten können. Das beinhaltet auch den Blick auf das, was schiefgelaufen ist, was uns verletzt oder geärgert hat. Aber es verharrt nicht in einem „Warum“, das immer tiefer ins Problem führt oder in der endlosen Schleife der Frage nach der der Henne oder dem Ei. Es lässt danach schauen, welche Möglichkeiten es gibt. Und es bringt Spaß, da mal in alle Richtungen zu denken. In unrealistische, destruktive, verträumte. Weil all diese irgendein Element enthalten können, mit dem wir etwas anfangen können.

4. Optimismus

Häufig wird er mit Naivität verwechselt oder mit einer rosaroten Brille gleichgesetzt, die zwar vieles in einem freundlicheren Licht erscheinen lässt, leider aber auch kein realistisches Bild abgibt. Ich sehe das anders und ich bin mir sicher, dass mein gesunder Optimismus mich schon durch viele Täler gebracht hat. Er hat nicht damit zu tun, sich alles schönzureden. Aber er hat damit zu tun, auch bei Schwierigkeiten darauf zu vertrauen, dass die Dinge sich letztlich schon entwickeln werden und dass es gut wird. Es ist nicht immer das „Gut“, das ich mir vorgestellt habe. Es ist manchmal auch ein zaghafter Optimismus oder ein vorsichtiger. Einer, der oft selbst nicht weiß, wie genau es weitergehen wird. Und einer, der ganz sicher nicht alles gut findet. Weil es einfach Situationen gibt, die bleiben schrecklich. Und da müssen wir dann auch kein Konfetti drin finden.

Pessimistische Prognosen können eine Möglichkeit sein für vorauseilende Problemlösungen. Weil das Problem ja oft gar nicht auftaucht, aber wenn, dann habe ich jedenfalls schonmal eine Begegnungsoption. Für viele mag es funktionieren und auch das ist ja ein Punkt, in dem wir alle unterschiedlich sind. Mir hilft mehr das Vertrauen darin, dass es noch nicht das Ende ist, wenn es noch nicht gut ist.

Optimismus ist nicht immer nur eine Frage von halbvoll oder halbleer. Es ist auch das Wissen darum, dass ein Wiederauffüllen möglich ist. Und es ist für mich die Voraussetzung, um immer weitermachen zu können. Denn wie sollen wir die Kraft finden loszugehen, wenn wir davon ausgehen, nicht ankommen zu können?

5. Gesunder Blick auf uns selbst

Der zuweilen riesige Spalt zwischen der Eigenwahrnehmung und dem Blick, den unsere Mitmenschen auf uns haben, ist sicherlich bei den meisten von uns vorhanden. Wir sehen ihn nur oftmals nicht. Es hat zu tun mit dem Hochstapler-Syndrom, an dem die erfolgreichsten Leute leiden. Und auch damit, dass wir natürlich der Meinung sind, uns selbst am besten zu kennen und somit in der Angelegenheit der sowieso überflüssigen ständigen Bewertung automatisch meinen, im Recht zu sein. Wie oft schon haben Menschen zu mir gesagt, wie gut doch bei mir alles läuft, dass ich mutig wäre und dass ja immer (Alarmwort!) alles (Alarmwort!) klappt, was ich angehe. Dann denke ich nur: Ahja. Ihr kennt die ganze Wahrheit nicht, die Struggles, das ewige Aufschieben, das Hadern. Die Wahrheit liegt wie immer irgendwo dazwischen und es hilft mir, das als Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Jawohl, vieles hat sehr gut geklappt in meinem Leben und natürlich hat das auch mit mir zu tun und gleichzeitig gibt es Dinge, die haben erst im siebten Anlauf geklappt oder auch gar nicht und auch das hat mit mir zu tun. Und so ähnlich, wenn auch natürlich anders, wird es auch bei dir sein. Auch hier hilft der Blick von außen, gerade wenn wir dabei sind uns kleiner zu reden als wir sind – was würde deine beste Freundin zu dir sagen, was dein bester Freund?

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6. In unsere Ressourcen vertrauen, das Leben gestalten

Resilient zu sein bedeutet nicht, dass wir unverwundbar sind oder dass uns von nun an sowieso alles immer leicht fällt. Auch wenn wir stark sind, werden wir immer wieder in Situationen kommen, in denen wir diese Stärke eben auch brauchen. Denn natürlich geht das Leben weiter und wir haben gerade in den letzten Monaten sehr deutlich gesehen, dass es das auch mal auf eine Art und Weise tut, mit der wir nicht gerechnet hätten. In diesen Wochen, in denen einfach immer noch eins draufgesetzt wurde und wir immer wieder darauf aufmerksam gemacht wurden, was wir alles nicht kontrollieren können. Da hilft es zuversichtlich zu sein. Darauf zu vertrauen, dass die Dinge am Ende gut werden und vor allem auch die Handlungsspielräume zu entdecken und zu nutzen. Es kann helfen, wenn wir uns einmal bewusst machen, welche Stärken uns durch frühere Krisen geholfen haben. Was hat uns stark gemacht, worauf können wir uns jederzeit verlassen?

Was hat dich immer weitergehen lassen? Hast du vielleicht neue Ressourcen in dir entdeckt in den letzten Monaten? Wenn wir uns gegenseitig davon erzählen, von den Schwierigkeiten und dem Weitergehen, können wir es uns gegenseitig noch leichter machen. Ich freue mich wie immer über jede Nachricht an hallo@inspiredlaw.de - und sind wir schon über Instragram verbunden? @christianeeymers - dort werde ich zusammen mit euch all die Tricks sammeln, die uns beim Weitergehen immer wieder helfen.

Christiane Eymers